Spitäle, Würzburg 2002

...Den Künstlern der Moderne geht es nicht um ein Abbild der Realität, sondern um die Deutung der Wirklichkeit und um die Sicht hinter die Fassaden der Gesellschaft...
...Georgia Templiner entfernt sich von der realen Sicht der Dinge, ohne den Gegenstand als formales Prinzip völlig aufzugeben...
...Die Auseinandersetzung mit der menschlichen Existenz in ihrer Verletzlichkeit und die Darstellung des Menschen in seinem körperlichen und seelischen Dasein stehen im Mittelpunkt von Georgia Templiners Werk.

(Liane Thau, Kunsthistorikerin, Ausschnitte aus Ausstellungseröffnung, Spitäle, 2002)

Galerie Schulgasse, Eibelstadt 2003
Das Leben des Stilllebens

Weiße Lichter funkeln im prallen Leib eines Kohlrabis. Eine Paprika birst fast in Fülle. Äpfel dösen herb neben dem samtigen Schimmer einer Birne. So viel Leben ist in den neuen Stillleben von Georgia Templiner...
...2002, in ihrer großen Ausstellung im Spitäle, dominieren noch ganz andere Töne. Templiners Domäne war die Abstraktion. Sie schaute hinter die Fassade der Äußerlichkeit und zeigte Menschen, zermürbt, zerrissen, aufgeklappt wie auf Röntgenaufnahmen, verletzlich, zerbrechlich und doch - durch energische Striche mit dem Spachtel - stabil und Wetter gegerbt in ihrer Empfindlichkeit...

...Weil sie von der Abstraktion kommt und Gegenständliches bisher wenig beachtete, hatte sie immer das Gefühl der Lücke. Sie hatte einen unbestechlichen Durchblick, aber, so meint sie, keinen Blick für die Oberfläche. Deshalb stellte sie sich mehr und mehr in den Dienst der Gegenstände, kaufte morgens auf dem Markt Früchte und Blumen, die sie bis abends mit schnell trocknender Temperafarbe auf die Leinwand gebannt hatte....

Viel Male übermalt sie ihre immer noch porösen, atmenden Weißgründe. Sie wäscht ab, kratzt heraus, tilgt und baut, unterlegt mit ungeheuer gekonntem zeichnerischen Strich ihre immer noch sparsamen, aber jetzt haptischen Farben. In dieser Stofflichkeit nuanciert sie nun wunderbar von üppiger Prägnanz zum Echo, zum Schleier, fast zur farbigen Aureole um ihre Gegenstände. Gerade aber im Versickern, im Verwischen, im transparent Werden der Farbe kommt sie nun zu einem ähnlichen Ergebnis wie bei ihren Abstraktionen: Sie fasst Bewegungen, Zeitlichkeit, Abläufe und damit das Werden und Vergehen in ihren Arbeiten.

Auch das Reale führt wieder ins Transitorische und Transzendente. Vor allem in den Blumenbildern, die so gar nichts Liebliches haben, fächert sie Lebensprozesse vom Blühen zum Verwelken auf. Und die Farben atmen. Kein Zweifel, Georgia Templiners Domäne ist immer noch die Abstraktion. Aber sie hat die früher vorherschenden Linien nun mit Farben unterfüttert. Sie ging nicht nur in die sichtbare Welt. Sie ging auch vom Grafischen zum Malerischen.

Eva-Suzanne Bayer, Ausschnitte aus Mainpost 2003